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Die Wohnlager der Reichshauptstadt Berlin

Die sogenannten "Wohnlager der Reichshauptstadt Berlin" waren von 1939 bis 1945 Zwangsarbeiterlager der Berliner Stadtverwaltung unter dem Oberbürgermeister und der Haupttiegfbaudeputation. Sie sollten ursprünglich Zivile freiwiilig angeworbene Arbeitskräfte insbesondere für die geplanten Baumaßnahmen für die neue deutsche Hauptstadt "Germania" beherbergen. Sie würden aber schnell Zwangsarbeiter unterbringen, welche insbesondere für die Stadtverwaltung und die Betriebe der Stadt arbeiteten, aber auch für diverse andere Institutionen und für die Zivile Wirtschaft, insbesondere in der Kriegswichtigen Wirtschaft. Zusätzlich wurden Zwangsarbeiter aus den Wohnlagern für den Bunkerbau, errichtung von Luftschutzgräben und für den Aufbau und Ausbau von Flak-Stellungen eingesetzt. Ein Teil des Lagerpersonals waren zwangsverpflichtete Arbeiter bzw. Zwangsarbeiter, und eine Vielzahl an Baumaßnahmen in den einzelnen Wohnlagern wurden von den Insassen durchgeführt. Auch Kriegsgefangene, Strafgefangene und Italienische Militärinternierte wurden in mehreren Lagern untergebracht.

Gedenkbuch über die Wohnlager

Meine Arbeiten am Gedenkbuch (und dadurch eine Veröffentlichung) ist noch lange nicht abgeschlossen. In unregelmäßigen Abständen aktualisiere ich folgende Zahl der bereits im Gedenkbuch eingetragenen Namen:

Stand 11/07/2024 knapp über 400 Namen (über 90 Wohnlager Düppel, über 100 Wohnlager Frohnau)

Liste der Wohnlager

Alle Stand 31.01.2025 bekannten und eindeutig als Wohnlager der Stadtverwaltung belegten Lagerstandorte:

Wohnlager

Wohnlager I Buch (altes Lager)

Wohnlager II Düppel

Wohnlager III Königsdamm [Zwangsarbeiterlager]

Wohnlager IV Marienfelde [Kriegsgefangenenlager / Zwangsarbeiter / Ausländische Vertragsarbeiter]

Wohnlager V Zehlendorf-West [übergeben an die Wehrmacht]

Wohnlager VI Rudow [Kriegsgefangenenlager - Stalag Arbeitskommandos]

Wohnlager VII Blankenfelde [Krankensammellager Blankenfelde-Nord, übergeben an Arbeitsamt Berlin]

Wohnlager VIII Hönow (Kaulsdorf)

Wohnlager IX Wartenberg

Wohnlager X Köpenick

Wohnlager XI Buch (neues Lager)

Wohnlager XII [Name unbekannt]

Wohnlager XIII Staaken Finkenkruger-Weg [Kriegsgefangenenlager]

Wohnlager XIV Staaken Spandauer Straße [Kriegsgefangenenlager]

Wohnlager XV Blankenburg [Zwangsarbeiterlager / Ausländerkrankenhaus]

Wohnlager XVI Biesdorf

Wohnlager XVII Lankwitz

Wohnlager XVIII Grünau [Zwangsarbeiterlager / Kriegsgefangenenlager - Heute Bundeswehrkaserne]

Wohnlager XIX [Name unbekannt]

Wohnlager XX Frohnau [Arbeitserziehungslager / Zwangsarbeiterlager / Kriegsgefangenenlager]

Wohnlager XXI Lichterfelde-Ost Karpfenteich

Wohnlager XXII Tambacher Straße

Wohnlager Holtzdamm [Zwangsarbeiterlager / Gerätehaus der Wohnlagerverwaltungen]

Wohnlager Lennestraße [Zwangsarbeiterlager / Durchgangslager]

Wohnlager Wandallenallee [Vandallenallee]

Wohnlager Nalepastraße [Schulgebäude / Italienische Militärinternierte Arbeitskommando 1302]

Wohnlager Schöneberg [Zwangsarbeiterlager]

Wohnlager Friedrich-Krause-Ufer [Ausländische Vertragsarbeiter]

Wohnlager Lankwitz Seydlitzstraße 30 [Schulgebäude]

Wohnlager Glienicke (Schloss) [Kriegsgefangenenlager]

Wohnlager Mahlsdorf-Nord [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Lichtenberg Dr. Goebbels-Schule (Parkaue) [Schulgebäude]

Wohnlager Rosenthal [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Alt-Moabit [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Viktoriastraße 7 [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Rathenower Straße 9 [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Bernauer Straße [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Weißensee Schönstraße 86 [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Spandau Nennhausdamm [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Siemensstadt Nonnendamm [Zwangsarbeiterlager]

Wohnlager Buch Gasthof Göpfert [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Wohnlager Pallastraße [Existenz durch eine ausländische Publikation belegt]

Städtische Ausländerlager

[Der genaue Unterscheid zwischen den Bezeichnungen Städtisches Ausländerlager und Wohnlager sind noch unbekannt, entweder wurden die Ausländerlager durch die Bezirke und nicht die Stadtverwaltung geleitet oder unterstanden nicht der Wohnlagerverwaltung in der Tiefbaudeputation Kontingentstelle 2 sondern beispielsweise bestimmten Verwaltungen oder Berliner Eigenbetrieben]

Städtisches Ausländerlager Am Karlsbad 6 [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Städtisches Ausländerlager Kronprinzenufer [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Städtisches Ausländerlager Jostystraße 9 [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Städtisches Ausländerlager Paul-Heyse-Straße 4 [Mindestens 1943-1944 im Betrieb] [als Lager des Bezirksamtes aber auch kurzfristig als Wohnlager des Oberbürgermeisters bezeichnet (?)]

Städtisches Ausländerlager Charlottenburg Wohnhaus Schering [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Städtisches Ausländerlager Wannsee Gasthöfe [Gasthof Reichsadler und Gasthof Deutsche Eiche - wurden auch als "Wohnlager" verwendet]

Städtisches Ausländerlager Neukölln Pflügestraße [Tatsächliche Existenz unbestätigt]

Geplante Wohnlager

Wohnlager Frohnau Kniggeweg wurde niemals errichtet

Wohnlager Adlershof wurde sehr warscheinlich niemals errichtet

Wohnlager Wittenau Lübarser Straße wurde sehr warscheinlich niemals errichtet [oder es handelte sich um ein GBI-Lager?]

 

Namensvariationen (insbesondere für eine einfachere Google-Suche):

Wohnlager Buch

Ausländerlager Buch / Lager Am Sandhaus / Wohnlager Am Sandhaus / Waldlager Berlin-Buch / Waldlager Buch Am Sandhaus / Ostarbeiterlager Am Sandhaus / Ostarbeiterlager Berlin-Buch

Wohnlager Blankenburg

Ausländerkrankenhaus Blankenburg / Lager Bahnhofstraße / Lager Blankenburg / Ausländerlager Blankenburg / Ostarbeiterlager Blankenburg / Ausländerlager Berlin-Blankenburg

Schriftgut der Wohnlagerverwaltungen

Die Lagerverwaltungen der einzelnen Wohnlager produzierten als städtische Behörden mit großen Personal eine vielzahl unterschiedlicher Akten und Dokumente. Im Folgenden eine Übersicht von einer Vielzahl der in den Wohnlagerverwaltungen entstandenem Schriftgut (nicht vollständig!)

Kassenbücher (Lagerkantine, Lagerkasse)

Steuervorgänge (Finanzämter)

Arbeitsberichte und Meldungen an Arbeitsämter und die DAF

Bücherlisten (Lagerbibliothek, Lagerzeitungen)

Wirtschaftsbücher

Portobücher

Lagerausweise

Beschwerdevorgänge von Zwangsarbeitern

Personalakten

Schriftverkehr mit städtischen Dienststellen

Rechnungen (Wasser, Strom, Müllabfuhr, Miete usw.)

Bankenangelegenheiten

Anweisungen und Berichte von Strafmaßnahmen

Verpflegungsscheine

Kleidungsscheine

Lagerordnung

Verordnungen und Aushänge der Lagerführung

Lohnlisten

Krankenlisten

Meldungen Gestapo und Kriminalpolizei

Lagerkarteien (Inventar, Personal, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene usw.)

Lieferscheine

Belegungsmeldungen an die DAF

Eingangsbuch [Torwachen am Lagereingang vermerkten darin jeden Eingang]

Treibstoffzuweisungen

Mietverträge

Arbeitsverträge

Bauakten

Arbeitsaufträge

Überweisungsscheine

Strafanordnungen der Gestapo

Nachlassforschungen [verstorbene oder geflohene Zwangsarbeiter]

Einwohnermeldeunterlagen

Standesamtsunterlagen

Berichte von Luftalarmen und Luftangriffen

Luftschutzordnungen

Aus- und Einzahlungsanweisungen

Interne Rundschreiben

Arbeitsbücher

Buchhaltungsunterlagen

Firma Gottlieb Tesch
Lohntechnische Betreuung der ausländischen Lagerangestellten in den städtischen Wohnlagern

Vom November 2024 bis Februar 2025 habe ich Nachforschungen angestrebt ob noch Akten der Firma Gottlieb Tesch existieren. Die Firma war im Auftrag der Stadt Berlin für die lohntechnische Betreuung der ausländischen Lagerangestellten, darunter auch Zwangsarbeitern, zuständig und übernahm die diversen Verwaltungsarbeiten mit dem Arbeitsamt die im Rahmen dieser Beschäftigung angefallen sind. 

Kurz zu der Firmenchronik: der Maurermeister Gottlieb Tesch gründete seine Baufirma am 15. September 1876. In den darauffolgenden Jahrzehnten war die Firma an vielen namenhaften Baustellen beschäftigt. So war sie u.a. beteiligt an der Errichtung des Wasserwerkes Wulheide bei Berlin, am Gebäude des Amtsgerichts Wedding, an der Lessingbrücke über die Spree in Moabit, der Getreidespeicher im Westhafen von Berlin, am Großkraftwerk Klingenberg an der Spree, an Umbauarbeiten bei der Staatsoper unter den Linden in den 1920er Jahren, den U-Boot-Bunker Valentin in Bremen-Fargo und viele weitere Einsatzorte. 

Die Firma betrieb während des Nationalsozialismus ein Arbeitserziehungslager der Gestapo in Bremen und beschäftigte in den reichsweiten Baustellen (u.a. in Wien und Berlin) Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Völlig unbekannt dagegen ist die Involvierung in die ebenfalls vergessenen Wohnlagern, den Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlagern der Berliner Stadtverwaltung. Dort übernahm die Firma die oben genannte Aufgabe. Hierfür zuständig war in der Firma die Abteilung Lohnbüro in Berlin-Charlottenburg an der Uhlandstraße 7-8, wie u.a. ein Schreiben an die Berliner Verkehrsbetriebe betreffend eines der im Lagerbetrieb der Wohnlager angestellten Zwangsarbeiter beweist. Ob das Lohnbüro oder andere Abteilungen der Firma in den sonstigen sozialen Angelegenheiten sowie in der Versorgung und Unterbringung der Lagerangestellten involviert waren ist nicht bekannt. Unter den betreuuten Lagerangestellten fanden sich auch freiwillig angeworbene ausländische Vertragsarbeiter. Die Betreuung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung K2 der Haupttiefbaudeputation der Stadtverwaltung unter dem Berliner Oberbürgermeister, welche zuständig für die Wohnlager war. 

Ich versuchte herauszufinden ob sich dazu noch alte Akten im Firmenarchiv befanden. Hierfür schickte ich eine erste Anfrage an die Firma am 24. November 2024. Der Firmenchronist Lutz Burrow meldete sich am nächsten Tag bei mir und am 4. Dezember traffen wir uns im Café Alte Zicke im Nikolausviertel. Ein weiteres und letztes Gespräch zur Materialübergabe erfolgte am 14. Februar 2025 im Eingangsbereich der Zentralen Landesbibliothek Berlin. Die Gesprächsprotokolle, Notizen und Schriftverkehr wurden zusammen mit einer gedruckten und ausführlichen Firmenchronik und diverses Informationsmaterial (beides von Herrn Burrow) in meinem Privatarchiv zu den Wohnlagern abgelegt. Abschließend lässt sich sagen, das die Akten der Firma zu den Wohnlagern vollständig und einhundertprozentig verloren sind. Vor 1945 liegen Materialien im Firmenarchiv nur in extrem geringer und nicht nennenswerter Anzahl vor. 

Im Privatarchiv zu den Wohnlagern finden sich neben meinen Nachforschungen zu der Firma und den Informationsmaterialien von Herrn Burrow eine stetig anwachsende Sammlung von Kopien von digitalisierten Dokumenten der Firma, die in Akten im Arolsen Archiv (Online-Archiv) ermittelt werden konnten. Wer Interesse an den darin enthaltenen Informationen hat kann diese, sofern keine geschützten personenbezogenen Inhalte vorliegen, nach Rücksprache mit mir einsehen. Aus diversen Gründen wird eine Veröffentlichung aller Informationen vorerst nicht erfolgen. 

Q: Firmenchronik Gottlieb Tesch, E-Mails Lutz Burrow, Gesprächsprotokolle vom 04.12.2024 und 24.02.2025, Abschlussvermerk vom 25.02.2025, Privatnotizen

Verfasst am 05.03.2025

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